Urban Gardening
Urban Gardening, der Neue Trend.
Ein Plädoyer von Elmar Mai
Der Begriff ist in aller Munde und junge Leute schwärmen davon. Urban Gardening ist eine Bewegung, die allerdings nur zu einem gewissen Teil mit Gärtnern zu tun hat. Es ist vielmehr der Protest einer Generation gegen die Tütensuppen-Mentalität: Alles ist vorgefertigt, aber keiner weiß, was wirklich drin ist. Es ist ein bisschen zu vergleichen mit der Bewegung der Grünen in ihren Gründerjahren. In den 1970ern lehnten sich junge Menschen gegen die Betonierung der Landschaft auf, gegen den Verlust von Natur und lebenswerter Umwelt. Das Motto Umweltschutz haben sich -zumindest vordergründig- mittlerweile alle Parteien auf die Fahnen geschrieben. Aber ein Unbehagen ist geblieben. Die neue Protestbewegung heißt Urban Gardening, die in den Extremen als Guerilla Gardening daherkommt. Es ist eine sozial-politische Bewegung, die nach Ehrlichkeit, nach Wahrhaftigkeit, nach Selbstverwirklichung und Individualität strebt. Ihren Ausdruck findet diese Sehnsucht vor allem in urbanen Ballungsräumen - den Städten, indem Bürger öffentliche Plätze nach ihrem Geschmack ungefragt umgestalten. Es sind Menschen, die sich nicht länger bevormunden lassen und der Mangelwirtschaft in Städten und Gemeinden nicht weiter zuschauen wollen. Es sind aber auch Menschen, die neugierig sind. Man will die Natur und deren Vielfalt , vor allem sein Essen wieder mit eigenen Augen wachsen sehen, man will keine uniforme und sterile Industrieware mehr, man will wieder Vertrauen haben in das, was man isst. Junge Menschen sehnen sich nach neuer Sinnlichkeit. Das ist, meine ich, ein guter Trend. Friedlicher Protest und ein klares Signal nach außen.
Urban Gardening als eine gesellschaftliche Bewegung wird häufig in Gesellschaft betrieben. Es bilden sich Gruppen Gleichgesinnter, die entweder nachts in einer überfallartigen Aktion irgend einen Platz mit ein paar Blumen bepflanzen oder einfach nur ein paar Lehmkugel, in denen Blumensamen enthalten sind, auf ein Stück Brachland werfen, damit dort etwas Farbe hinkommt. Andererseits haben Geschäftstüchtige den Trend schnell erkannt und „vermarkten“ die Idee, indem sie „Events“ veranstalten und Geld für die Teilnahme einfordern. Das ist der falsche Weg. Der Schrei nach Freiheit darf nicht vermarktet und schon gar nicht gleich wieder reglementiert werden! Leben Sie ihre eigenen Ideen! Der goldene Mittelweg ist, entweder im Kreis der Familie, mit Nachbarn oder auch in einer größeren Gruppe entspannt zu experimentieren. Leider ist viel Grundlagenwissen verloren gegangen. Die Nachkriegsgenerationen haben im Wirtschaftswunder geschwelgt. Man wollte es endlich einmal besser haben. Dabei haben viele vergessen, dass unsere Großeltern im Krieg und kurz danach nur überlebt haben, weil sie das Knowhow besessen hatten, Kartoffeln, Kohl, Gurken und was sonst noch Essbares anzubauen. Die Menschen damals waren viel gesünder und leistungsfähiger und haben auch viel gesünder gelebt. Auf diese Werte besinnt man sich heute wieder, nur leider bedarf es großer Anstrengungen, das Wissensdefizit wieder auszugleichen. Die folgenden Zeilen sollen mit Tipps und Tricks, aber auch wichtigen Grundlagen dazu beitragen, dass nicht Frust, sondern Lust das Vorhaben begleitet.
Mein Tipp: Beziehen Sie die Senioren mit ein, statt sie in Heime abzuschieben. Zum Dank werden sie Sie an ihrem Wissen und ihrer reichen Lebenserfahrung teilhaben lassen. Sie müssen nur fragen!
Was man braucht.
Tipps und Tricks vom Fernsehgärtner
Damit Pflanzen gesund wachsen können, benötigen sie ein geeignetes Substrat, Wasser, Dünger Licht und Luft. Das Substrat kann ein Beet mit gewachsener Erde auf einem Brachgrundstück mitten in der Stadt sein. Wer aber in luftiger Höhe, etwa auf einem Flachdach gärtnern will, benötigt eine künstliche Konstruktion. Von mehreren LKW-Ladungen Substrat, wie bei begrünten Dächern üblich, bis hin zu einem 10-l-Eimer oder gar einem Balkonkasten voll Erde ist alles möglich.
Tipp: Man sollte keinesfalls an der Substratqualität - also der verwendeten Erde - sparen, denn das ist das Einzige, was den Pflanzenwurzeln zur Verfügung stehen. Auch sollte man die benötigte Menge großzügig bemessen. Nur so können sich die Pflanzen zu voller Größe und Schönheit entwickeln. Das Geheimnis beim Bonsai ist schließlich die Miniaturschale als Pflanzgefäß. Bonsai beim Urban Gardening ist aber nicht erwünscht, man will es üppig.
Je nach Region ist das Wasser kalkhaltig oder weich, gelegentlich sogar völlig kalkfrei. Die Wasserhärte sollte man aber unbedingt kennen, denn sie beeinflusst die Bodenreaktion. Es gibt Pflanzen, die eine saure Bodenreaktion bevorzugen, andere, die lieber auf Kalkböden wachsen. Erfahrene Gärtnereien, Gartencenter oder Landwirtschaftliche Einrichtungen der Bundesländer (z.B. Lehr- und Versuchsanstalten) kennen die regionalen Besonderheiten und wissen, welche Pflanzen in dieser Gegend besonders gut gedeihen. Auch der Dünger sollte auf die Bodenreaktion abgestimmt sein. Wer Erde in Säcken verwendet, findet immer eine neutrale bis leicht saure Bodenreaktion vor, die von den meisten Pflanzen vertragen oder sogar bevorzugt wird. Luft ist sowohl oberirdisch, aber wichtiger noch im Boden ein unentbehrlicher Garant für gesundes Pflanzenwachstum. Einerseits ist dafür ein qualitativ hochwertiges Substrat erforderlich, aber auch die Art der Wässerung spielt eine große Rolle. Wird die Erde dauerhaft zu nass gehalten, sind die Poren voll mit Wasser, statt mit der dringend benötigten Luft. Die Wurzeln ersticken und faulen. Die Pflanzen werden nicht mehr versorgt und beginnen zu welken, was den besorgten Gartenfreund dazu veranlasst, noch mehr zu gießen: Ein Teufelskreis. Also lieber zwischendurch die Erde leicht antrocknen lassen, damit frische Luft eingesogen werden kann.
Tipp: In alle Gefäße unten genügend Abzugslöcher bohren, damit Überschusswasser ungehindert abfließen kann. Staunässe ist tödlich! Die Abzugslöcher mit einer Drainage gegen Verstopfen sichern.
Neben den genannten Bedingungen benötigen Pflanzen Licht und Wärme. Das ist aber höchst unterschiedlich und individuell. Hier sei nur so viel gesagt, dass es für fast alle Standorte, ob Nord-, Ost-, West- oder Südbalkon, geeignete Pflanzen gibt. Man darf nur nicht den Fehler begehen, den Pflanzen zu diktieren, wo sie wachsen sollen. Jeder weiß schließlich, dass Fische ins Aquarium gehören und nicht in den Vogelkäfig, obwohl beides Tiere sind. Auch Pflanzen haben oft ähnlich individuelle Ansprüche, die man akzeptieren muss!
Das geeignete Saatgut.
Der Rat vom Fachmann
Nutzpflanzen mit sehr langer Kulturzeit, sehr hohem Nährstoffbedarf oder sehr tiefen Wurzeln sind eher eingeschränkt für das Urban Gardening geeignet, es sei denn, man schafft ihnen mit einem geräumigen Hochbeet oder sehr großen anderen Gefäßen die passenden Bedingungen. Tomaten, Paprika oder Auberginen sind Kandidaten, die am besten in sehr großen Gefäßen gedeihen. Allerdings gibt es hiervon spezielle Sorten, die für die Kultur auf Balkonen, Terrassen oder anderen urbanen Einrichtungen gut geeignet sind, weil sie kleiner und kompakter wachsen. Anfänger sollten mit verschiedenen Schnitt- und Pflücksalatsorten ihre ersten Erfahrungen sammeln, weil Salat schnell wächst, wenige Ansprüche an Nährstoffe stellt und mit wenig Platz zurechtkommt. Hier ein paar weitere Beispiele.
Pflanzen die schmücken und schmecken ist eine Devise, die jedes Gärtnerherz höher schlagen lässt. Es gibt überraschend viele sehr dekorative Salat- und Gemüsearten. Mangold zum Beispiel ist eigentlich viel zu schade zum essen. Aber keine Angst: Das dem Spinat ähnliche Gemüse lässt sich stängelweise ernten und wächst von der Mitte heraus immer wieder nach. Die bunten Stiele können dann wie Spargel zubereitet werden und die Blätter kocht man wie Spinat.
Die Kapuzinerkresse ist in ihren vielen Sorten eine herrliche Zierpflanze, die einjährig kultiviert wird. Aber wer weiß schon, dass die Blüten und Blätter essbar sind? Sie schmecken scharf würzig und sind im Sommer perfekte Durstlöscher. Ein Blatt zerkauen, schon läuft einem das Wasser im Mund zusammen und der Durst ist weg.
Anekdote:Als junger Familienvater bewohnte ich einmal eine Dachterrassenwohnung mit vielen Pflanzen. Weil viele Abfälle zusammenkamen, schaffte ich mir einen Schnellkomposter an, in den auch Gemüseabfälle aus der Küche wanderten, inklusive Kartoffelschalen. Dabei war auch eine angefaulte Kartoffel, die austrieb, durch die Gitter des Komposters wuchs und zu meinem Erstaunen im Spätsommer leckere Kartoffeln lieferte. Wenn auch ungeplant und nur für eine Mahlzeit, es hat funktioniert. Dieses Experiment ist unbedingt zur Nachahmung zu empfehlen, denn neben leckeren Kartoffeln bekommt man als kostenlose Dreingabe auch noch wertvollen Kompost.
Wer sich Intimsphäre auf seinem Balkon wünscht, kann aus der Not eine Tugend machen. Stangenbohnen, vor allem die zierenden Feuerbohnen, lassen sich leicht in größeren Kübeln halten und an einem Spalier zu einem dichten Sichtschutz heranziehen. Es gibt aber auch viele rankende Zierpflanzen, die im Sommer den gewünschten Sichtschutz schaffen.
Für Familien mit Kindern ist es sicherlich ein Vergnügen, Radieschen im (geräumigen!) Balkonkasten anzubauen. Die Kulturzeit ist kurz und wenn man dann auch noch die bunten Sorten aussät, können es die kleinen (und großen) Kinder kaum noch erwarten, die knackigen Früchte zu genießen.
Aber neben Nutzpflanzen sollte man die Blumen nicht vergessen. Es wäre vermessen zu glauben, dass man mit einem Balkon zum Selbstversorger werden könnte. Der Spaß muss im Vordergrund stehen, dazu gehören die fröhlichen Farben des Sommers. Anfängern seien Saatbänder empfohlen, egal ob Nutz- oder Zierpflanzen, denn hier sind die Abstände bereits vorgegeben. Im Sortiment gibt es bunte Mischungen von hängenden und stehenden Balkonblumen oder für das Sichtschutz-Spalier Rankpflanzen. Wer lieber klassische Geranien oder Petunien bevorzugt, auch das ist kein Problem, denn das reichhaltige Sortiment von Quedlinburger bietet für jeden Geschmack das Richtige.
Variationen.
Allerlei Spielereien rund ums Gärtnern in der Stadt
Gärtnern im Hochbeet ist die vielleicht bequemste und erfolgversprechendste Methode. Es gibt mittlerweile ausgereifte und einfach aufzustellende Bausätze, mit denen man sich individuell an die räumlichen Verhältnisse anpassen kann, zumindest im Rahmen der vorgegebenen Maße der Bausteine. Man kann solche Hochbeete aber auch selbst leicht herstellen: Ein paar Bretter und Kanthölzer reichen schon aus. Nur muss man die Innenseite mit Folie (Abflusslöcher nicht vergessen!) auskleiden, damit das Holz nicht zu schnell fault. Ein Vlies am Boden verhindert Austreten von Erde, ein Rollenuntersatz ermöglicht das leichte Verrücken des Beetes. Es gibt Frühbeetaufsätze zum Verlängern der Vegetationsperiode und einen Tomatenhaus-Aufsatz gegen die gefürchtete Braunfäule. Alle diese Dinge können aber auch leicht im Selbstbau gefertigt werden. Mit diesem System ist eine gute Ernte vorprogrammiert.
Wer vorerst solche Investitionen scheut und herausfinden möchte, ob er überhaupt einen „GrünenDaumen“ hat, der kann sich im Notfall mit einem ausgedienten Eimer behelfen oder einer mit Folie ausgeschlagenen Holzkiste, muss aber unbedingt an die Abflusslöcher denken. Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt. Wie wäre es mit ein paar ausgedienten Gummistiefeln?