Pflanzen die schmücken und schmecken Text von Elmar Mai
In manchen deutschen Gärten sieht es aus wie auf dem Kasernenhof: Da stehen sie in Reih‘ und Glied, die Salate und Gemüse, und wachsen im Gleichschritt vor sich hin. Gemüse gehört schließlich in den Gemüsegarten und Blumen gehören ins Blumenbeet. Basta!
Dabei sollten wir aus dem Zeitalter der Diskriminierung längst heraus sein. Denn bei genauer Betrachtung, sind viele Salatsorten viel zu schön zum essen. Sorten, deren Namen schon auf der Zunge zergehen, wie zum Beispiel die Pflücksalate „Lollo Rossa“ oder „Babyleaf“, ebenso Bataviasalat „Leny“ und Palmkohl „Nero di Toscana“ sollten mit statt einfach nur ‚Salat‘.
Also seien Sie mutig und experimentieren Sie mal nach der Formel „Blumen + Kohl = Blumenkohl“. Halten Sie Ausschau nach Nutzpflanzen mit besonders hohem Zierwert. Sie werden angesichts der Vielfalt überrascht sein und in Zukunft vielleicht ausschließlich attraktive Salat- und Gemüsesorten mit Doppelnutzen verwenden, statt „nur“ Blumen: Pflanzen, die schmücken und schmecken, ist mein Rat. Das ist vor allem für Menschen eine gute Idee, die wenig Platz haben oder die den Anblick eines Nutzbeetes als wenig attraktiv empfinden. Wer hat es denn jemals gewagt, seine Balkonkästen mit Salat oder Kohl zu bestücken, aus Angst, einen öden Balkon vor Augen zu haben? Schluss mit diesen Vorurteilen! Schluss mit der Trennung von Ziergarten und Nutzgarten.
Ernten ist dabei natürlich erlaubt und erwünscht, denn schließlich haben auch Nutzpflanzen bei guter Pflege selbst in einem Balkonkasten einen enormen Zuwachs und die entstehenden Lücken schließen sich schnell wieder. Sie sollten aber darauf achten, nur Arten zu kombinieren, die etwa das gleiche Wuchsverhalten aufweisen, also immer sorgfältig die Tütenrückseiten studieren. Oder aber Sie sind noch intelligenter: Denn wer vorausschauend plant, kann den Verlust durch Ernte und den Zuwachs der Pflanzen mit längerer Kulturzeit so austüfteln, dass er schon frühe Arten ernten kann, während sich die langsameren Arten ungestört weiter entwickeln und den frei gewordenen Platz nutzen können. Dann hat man auch selber länger etwas zum Futtern. Es ist auch nicht verboten, Nutz- und Zierpflanzen miteinander zu kombinieren, also etwa Salat mit Geranien. Mischkultur wird hier ausnahmsweise einmal anders interpretiert. Das mit den Blumen ist natürlich Geschmackssache, aber der erste Schritt ist entscheidend und der heißt: Probieren geht über Studieren! Mut ist gefragt.
Renner unter den nützlichen Zierpflanzen -oder soll man besser zierenden Nutzpflanzen sagen?- sind buntstielige Mangoldsorten oder die verschiedenen Zierkohl-Varianten. Sie haben weit mehr als nur Schmuckwert, sie können im Gegenteil ganz normal in der Küche verwendet werden. Und Zierkohl hat noch einen weiteren Vorteil: Er ist einer der letzten Mohikaner im Reigen der Nutzpflanzen, der bis zum Wintereinbruch durchhält und selbst nach den ersten leichten Frösten noch schön anzusehen ist. Was will man mehr!
TIPP: In den Lehr- und Versuchsanstalten in Deutschland, die sogar besichtigt werden können, wird zunehmend mit Gemüse unter dem Aspekt Zierwert experimentiert, aber auch gleichzeitig die Kombinationsfähigkeit getestet. Besonderes Erstaunen rufen dabei immer wieder die üppigen Großgefäße hervor, die kunterbunt mit einer Mixtur aus Ziermais, Mangold oder anderen höheren Arten in der Mitte bepflanzt sind und dann von allerlei Kräutern oder kleineren Gemüsesorten am Rand eingerahmt werden. Ein oder zwei bunte Blumen geben dem Ganzen dann einen fröhlichen Farbtupfer. Es wir zwar eng gepflanzt, aber dann auch gut gegossen und gedüngt.
PRAXISTIPP: Was Sie brauchen ist ein geräumiger (!) Balkonkasten, hochwertige (!) Erde und geeignetes Saatgut. Größere Gefäße, ein kleines Hochbeet auf der Terrasse oder gar ein schöner Platz im Garten sind natürlich ebenso geeignet. Gut geplant ist gut geerntet, lautet eine Gärtnerweisheit. Daher sind jetzt zwei Schritte wichtig: Die richtige Saatgutauswahl und der richtige Aussaat-Zeitpunkt. Es gibt Arten mit kurzer Kulturzeit, etwa Salat und Radieschen, andere nehmen sich viel Zeit, dazu zählen Kohlarten oder so beliebte Früchte wie Tomaten, Paprika und Auberginen. Daneben gibt es Arten, vor allem solche aus den Tropen wie Tomaten oder Paprika, die im warmen Zimmer vorkultiviert werden müssen. Andere, etwa Radieschen und Salat, kann man schon zeitig im Jahr an Ort und Stelle säen. Was jetzt kompliziert klingen mag, können Sie sich aber zunutze machen. Wer nämlich Kulturzeiten, Aussaatzeitpunkte und Temperaturansprüche genau kennt, den belohnen rund ums Jahr schöne Kästen, Kübel oder Beete mit interessanten und jahreszeitlich wechselnden Nutzpflanzen von hohem Zierwert.
TIPP: Wenn Ihnen der Nachbar im Sommer nicht auf den Balkon schauen soll, dann pflanzen Sie doch einfach einen Sichtschutz aus rankender Kapuzinerkresse. Kapuzinerkresse ist ein herzhaft schmeckendes Rankgewächs. Schon wenige Blätter liefern eine kräftige Würze für Ihren Salat oder sind -roh gegessen- ein guter Durstlöscher. Die unreifen Samen werden gerne als Kapernersatz genutzt und selbst die Blüten sind essbar. Sie ergeben eine tolle und würzige Salatgarnitur. Aber Achtung: Es gibt neben stark rankenden auch kompakt wachsende Sorten, also die Sortenbeschreibung genau studieren! Die „kleinen Kollegen“ passen trotzdem gut für einen Balkonkasten oder einen Kübel. Als Sichtschutz empfiehlt sich allerdings die Kanarische Kresse mit leuchtend gelben Blüten. Ziehen Sie die Samen am besten schon zeitig im Zimmer vor, um Zeit zu gewinnen. Verwenden Sie, wenn die Jungpflanzen ab Mitte Mai nach draußen können, für den Balkon oder die Terrasse große Gefäße. Im Garten reicht ein guter Mutterboden an einem Zaun. Mit ein paar Bambusstangen und etwas Draht oder käuflichen Rankgerüsten, lassen sich leicht maßgeschneiderte Kletterhilfen für den Sichtschutz schaffen, ohne dass man am Balkon bauliche Maßnahmen vornehmen muss. Wichtig: Bei der Konstruktion den Wind berücksichtigen, der bei einem üppigen Bewuchs einen ordentlichen Druck ausüben kann.
Eine Alternative zur Kapuzinerkresse könnten Stangenbohnen sein. Auch hier gibt es mit der Prunkbohne „Paited Lady“ oder „Lady Di einige besonders schön blühende Sorten. Mit der Stangenbohne „Goldelfe“ und der Helmbohne „Violetta“ entscheiden Sie sich für Sorten mit interessant gefärbten Fruchthülsen. Also Augen auf beim Samenkauf!